Stellungnahme MOGiS e.V. - Eine Stimme für Betroffene

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Moment erweckt der Deutsche Bundestag den Eindruck, als verlöre er die Interessen der Kinder aus dem Blick. Es scheint so, als ob man Eltern zugestehene möchte, aus jeglichem nicht-therapeutischen - und damit noch so nichtigen Grund - eine Entscheidung darüber zu treffen, ob deren Sohn als Erwachsener über intakte Sexualorgane verfügen darf, oder nicht.

Manche mögen diese Debatte als überraschend und aufgebauscht wahrnehmen. Sie ist es aber nicht. Latent ist dieses Thema schon eine ganze Weile in der Diskussion. Es war nur schwierig die verschiedentlich geäußerten Bedenken in das allgemeine Bewusstsein zu heben.

Es bestand schon frühzeitig die Befürchtung als Vertreter der Rechte des Kindes in die falsche Ecke geschoben zu werden. Die Reaktionen, die Befürworter genitaler Integrität oder auch manche Betroffene von Vorhautamputationen jetzt erfahren, zeigen, dass diese Befürchtungen nicht zu Unrecht bestanden.

Insofern sind die denkanstoßenden Artikel des Herrn Putzke und vieler anderen nachdenklicher Juristen und Mediziner der letzten Jahre als geradezu mutig zu bezeichnen. Zumal wenn man, wie jetzt auch von anderen Personen (auch Betroffenen die sich geoutet haben), hört, dass man sich damit Diffamierungen oder auch direkter Bedrohungen aussetzt.¹

Eine Legalisierung solcher Eingriffe - da solche Operationen sonst im Ausland gemacht würden - kann kein Argument sein, da 1.) schon jetzt ein nicht geringer Teil dieser Operationen im Ausland stattfinden (s. http://tinyurl.com/ali-utlu), 2.) eine Rechtverletzung nicht deswegen statthaft werden darf, weil nur genug Personen damit drohen sie im Ausland zu begehen und 3.) vielen Eltern, die Zweifel haben, ein Verbot im Rücken helfen würde sich gegen ihre Beschneidungs-fordernde Umgebung durchzusetzen.

Mich persönlich hat im September 2009 ein Beitrag in einem Forum der Piratenpartei (http://tinyurl.com/piratenforum-zu-fgm) angestoßen und zum Nachdenken gebracht. Verstärkt wurde dieser Prozess zudem durch die Erfahrung, dass die Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen beim Schutz der genitalen Integrität, sogar durch die Gegner der weiblichen Genitalverstümmelung verteidigt wurde. - Ohne jetzt die katastrophalen Folgen der pharaonischen Beschneidung verhamlosen zu wollen, gibt es doch auch Arten der Genitalverstümmelung bei Mädchen, die sehr wohl mit der Vorhautamputation bei Jungen vergleichbar sind. (siehe auch: http://tinyurl.com/medizinerin-zu-fgm-und-mgm).

Das Urteil des Landgerichts Köln hat jetzt für viele den Kristallisationspunkt geliefert, an dem dieses Thema endlich in die Öffentlichkeit gebracht werden konnte.

Ich muss natürlich zugeben, ich selber war, gerade in den 90-er Jahren als ich Kontakt zu den jüdischen Gemeinden in Rostock und Schwerin hatte (http://tinyurl.com/anfrage-juedische-gemeinden), dieser Praxis auch nicht besonders kritisch gegenüber eingestellt. Ich war mir schlicht der Folgen dieser Art des Eingriffs nicht bewusst.

Ich hielt das, was Heute gerne als "`Beschneidung"' verniedlicht oder durch das Wort "`Zirkumzision"' verschleiert wird, für eine Form von Folklore - eine wenn schon nicht-nachvollziehbare so aber vielleicht noch tolerable Tradition.

Tolerabel war diese Praxis für mich vielleicht auch, weil sie mich nicht betraf - Ich hatte das Glück in eine Familie geboren zu werden in der nicht über meinen Kopf hinweg entschieden wurde mir diesen Teil meines Körpers zu nehmen und damit mein erwachsenes Sexualleben so grundlegend zu beeinflussen (zu den Folgen auch: http://tinyurl.com/aus-sicht-einer-frau).

Kern dieser Debatte ist das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.

Ganz eng an diesem Recht des Kindes müssen wir uns orientieren. Es gibt nämlich kein Freiheitsrecht welches erlaubt in den Körper eines Anderen einzudringen. Schon gar nicht mit einem Messer oder einem Skalpell in die Haut eines Kindes wie bei der Beschneidung.

Wie Herr Professor Merkel in seinem Artikel "`Die Haut eines Anderen"' sehr eindrucksvoll demonstriert (http://tinyurl.com/die-haut-eines-anderen), endet die Freiheit jedes einzelnen spätestens an der Haut des Anderen.

Wie er sehr deutlich zeigt gibt es auch keine Abwägung von Freiheitsrechten gegen die körperliche Unversehrtheit von anderen Personen (wie jene behauptete und angeblich so notwendige Abwägung zwischen dem Recht auf Körperliche Unversehrtheit des Kindes und der Religionsfreiheit der Eltern).

Niemand darf wegen seines Geschlechtes oder seiner Religion bevorzug oder benachteiligt werden.² Deswegen wird in dem Gesetzesentwurf wahrscheinlich auch nur von "`Zirkumzision"' die Rede sein - ohne Bezug auf darauf, dass damit jene an Jungen gemeint ist (in der heimlichen Hoffung, dass trotzdem nur Jungen gemeint sind - eine trügerische Hoffnung, da die Entfernung der Labien bei Mädchen und Frauen früher - und im englischen Sprachraum noch immer - Zirkumzision (Circumcision) genannt wurde und wird)

Auch wird diese "`Zirkumzision"' aus jedwedem noch so nichtigen nicht-therapeutischen Grund erlaubt werden.

Um Ihnen einmal zu erläutern, wohin wir die Debatte abgleiten sehen: Uns wurde gerade der Fall einer schwangeren Frau zur Kenntnis gegeben, die an einer Traumatisierung durch sexualisierte Gewalt in ihrer Kindheit leidet. Diese möchte ihren Sohn gleich nach seiner Geburt im nächsten Jahr, aus ästhetischen Gründen, die Vorhaut entfernen lassen. Ihre Hebamme unterstützt sie in ihrem Bestreben, schließlich helfe diese Maßnahme auch gut gegen übermäßiges Masturbieren.

Das Recht der Eltern, im Namen des Kindes therapeutischen Eingriffe zuzustimmen, ist ein treuhänderisch vom Staat verliehenes Recht, dieses wird den Sorgeberechtigten verliehen, wenn der Aufschub der Einwilligung in den therapeutischen Eingriff bis zur Einwilligungsfähigkeit des Kindes nicht dessen Wohl dient.

Die Debatte dreht sich aber um die nicht-therapeutische Amputation gesunden, funktionalen und sensiblen Gewebes bei nicht-einwilligungsfähigen Personen - Erwachsene mögen sich in Kenntnis der Folgen willentlich und wissentlich Körperteile nach Wunsch entfernen lassen (zu den Folgen siehe auch: http://tinyurl.com/beschneidung-mit-18).

Gerade weil die Unbedenklichkeit dieser Eingriffe nicht erwiesen ist und schon verschiedentlich gezeigt wurde, dass die Folgen teilweise verheerend sind, wäre eine Einwilligung in einen solcher Eingriff nicht einmal aus general-präventiven Gründen statthaft.

Die Argumentation, man könne nicht wissen welche negativen Folgen dieser Eingriff habe und man müsse deswegen den Eltern die Entscheidung überlassen, gerade auch weil schlüssige Studien über die Auswirkungen fehlen würden, greift auch nicht. - Gerade weil es sich hier nicht um einen therapeutischen Heileingriff handelt, bei dem eine Abwägung nach Nutzen und Risiken statthaft und die Suche nach dem geringst invasiven Mittel notwendig wäre, ist jegliches Risiko bei diesem Eingriff abzulehnen.

Davon abgesehen, ist doch aber geradezu augenscheinlich, dass es eine nicht geringe Anzahl von Betroffenen gibt, die unter den Folgen einer Amputation der Penisvorhaut leiden, und sich jetzt endlich öffentlich dazu äußern -zudem gibt es auch verschiedene Materialsammlungen, die Komplikationen dokumentieren, z.B. http://tinyurl.com/medizinische-komplikationen und http://tinyurl.com/pflegewiki.

Dass einige Gegner der körperlichen Unversehrtheit von Kinder hier mit einem Mangel an schlüssigen Studien argumentieren lässt eigentlich nur auf einen Mangel an Empathie denjenigen gegenüber schließen, die sich jetzt getraut haben offen über diese Verletzung ihrer Integrität und den daraus folgenden Einschränkungen zu sprechen.

Wenn nun schon mit Studien aus den USA Argumente herangezogen werden - aus einem Land, dass noch nichteinmal die Kinderrechtskonvention ratifiziert und damit auch nicht das Kind als eigenen Grundrechts-Träger etabliert hat - dann könnte man sich doch auch fragen: Wenn es den in diesen Studien behaupteten generalpräventiven Effekt gäbe, warum ist dann unter den industrialisierten Ländern der Welt die USA das Land mit der höchsten Neuansteckungsrate für HIV unter heterosexuellen (und größtenteils "`beschnittenen"') Männern?

Wenn man schon Studien zitiert, läge es dann nicht näher solche zu nehmen, die unserem Kulturkreis näher stehen und mehr Belang für unsere Situation haben?

In den Niederlanden hat die Königliche Gesellschaft zur Förderung der Medizin mit Ihren 53.000 Mitgliedern schon 2010 deutlich Stellung gegen die nicht-therapeutische Vorhautamputation bei Jungen genommen: Auf Holländisch: http://tinyurl.com/knmg-dutch, auf Englisch: http://tinyurl.com/knmg-english und auf Deutsch: http://tinyurl.com/knmg-german.

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.) und die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V., der Dachverband der kinder- und jugendmedizinischen Gesellschaften (http://tinyurl.com/dakj-stellungnahme),  äußern sich dazu, dass das Kindeswohl und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit an erster Stelle stehen muss und wenden sich gegen die „Bagatellisierung der Beschneidung als Form der Körperverletzung, bei der es auch zu lebenslangen körperlichen und seelischen Verletzungen kommen kann.“

Ein gesetzliches Verbot nicht-therapeutischer Vorhautamputationen wäre auch nicht beispiellos oder ein irgendwie gearteter deutscher Sonderweg. In Schweden ist diese für Kinder ab einem Alter über 2 Monaten bereits seit 2001 verboten. Inzwischen gehen die Bemühungen in Schweden sogar dahin diese Praxis komplett abzuschaffen.

In dieses Klima kommt jetzt der Entwurf eines Gesetzes, welches jede nicht-therapeutische "`Zirkumzision"' aus jedem - noch so nichtigen - nicht-therapeutischen Grund erlauben wird. Auch eben eine solche wie im Fall der oben erähnten Mutter und ihrem Interesse an einer "`ästhetischeren"' Gestaltung der Geschlechtsorgane ihres Sohnes.

Gerade auch deswegen sehe ich es als fatal an, wenn manche nun - ohne sich dessen vielleicht gewahr zu sein - so einseitig eine Kompromissbereitschaft signalisieren wo es für Vertreter der Rechte und des Schutzes des Kindes keine Kompromissbereitschaft geben kann - nämlich beim Recht des Kindes auf körperlich Unversehrtheit.

Ich bitte sie: zeigen Sie Empathie mit den Kindern, die durch diese unnötige Operation und dessen Folgen gequält werden.

Bitte helfen Sie mit, diese Praxis zu beenden und damit auch das Leid, das über viele Menschen gebracht wird.

Es grüßt Sie herzlichst


Christian Bahls

1. Vorsitzender MOGiS e.V. - Eine Stimme für Betroffene

Web: http://mogis-verein.de

### Fußnoten

¹ (Der Betroffene Ali Utlu wurde inzwischen mehrfach bedroht, zuletzt wurde ein abgeschnittenes Schweineohr in seinem Briefkasten gefunden - mit der Notiz, er wäre der nächste)
² (Das Gesetz wird höchstwahrscheinlich, aus Gleichbehandlungsgründen und damit es nicht sofort am Differenzierungsverbot des Art. 3 GG scheitert, davon absehen bei der darin legalisierten nicht-therapeutischen Zirkumzision Bezug auf etwaige religiöse Motivationen oder das Geschlecht des Kindes zu nehmen.)


Die Stellungnahme bezog sich auf folgenden Erfahrungsbericht des Betroffenen Alexander Bachl:

 

Ich schreibe Ihnen persönlich, weil ich entsetzt bin über die vielfach getätigte Aussage, dass die Zwangsbeschneidung von Jungen zu legalisieren sei. Zuletzt erfuhr ich, dass das Justizministerium eben diese aus jeglichem noch so nichtigen nicht-medizinischem Grund in den deutschen Gesetzestexten verewigen möchte.

Ich wurde mit 6 beschnitten. Mein Vater zwang mich aus religiöser Überzeugung. Meine katholische Mutter, die anfangs skeptisch war, wurde von ihm und muslimischen Bekannten überredet. Keiner von denen wusste wirklich, was Beschneidung bedeutet. Außer dem Arzt, aber der sagte nichts. Da ich seit einer Krankheit im Kindesalter Probleme mit meinem Gehör habe sollte ich zu einer Untersuchung in der ich unter Vollnarkose operiert werden musste. Diese Chance namen meine Eltern wahr um mich beschneiden zu lassen.

Mir hat man nichts gesagt. Aus Angst, ich könnte eine Szene machen. Ich bin ins Krankenhaus gefahren und alle waren sehr nett zu mir. Dann bekam ich die Narkose. Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich nackt auf der Bettkante sitze und bitterlich weine. Mein Penis sieht grotesk aus, er ist so geschwollen, dass er fast rund ist. Die Eichel, die ich davor noch nie gesehen habe, ist pink. Ein komischer Ring ist an ihrem Ende und hält die Haut zurück. Es tut furchtbar weh. Mein Vater beteuert immer wieder, wie stolz er auf mich ist. Dass ich jetzt ein richtiger Muslim sei. Ich weine trotzdem.

Die nächsten drei Wochen waren eine Qual. Ich weiß nicht, ob die Narben weh taten oder die vertrocknende freigelegte Eichel. Ich konnte keine Hose tragen. Ich konnte nicht laufen. Ich konnte mich im Bett nicht zudecken. Ich lag stundenlang im Bett auf dem Rücken mit angewinkelten Knien, damit die Decke meine Eichel nicht berührt. Tagelang. Ich weinte häufig. Das erste Mal, als ich aufs Klo ging, wusste ich nicht, was passieren würde. Ich hatte Angst, es könnte weh tun. Ich hatte Recht. Von nun an hielt ich es zurück, bis es nicht mehr ging. Der Druck war deshalb größer. Es war schlimmer. Aber ich hatte Angst.

Irgendwann tat es nicht mehr weh. Ich konnte keine engen Hosen tragen. Wie lange, weiß ich nicht. Es kommt mir heute wie eine Ewigkeit vor. Aber auch das verging. Irgendwann.

Irgendwann begann ich über all das nachzudenken. Wieso bin ich beschnitten? Weil ich ein Muslim bin. Wieso bin ich ein Muslim? Mir fiel keine Antwort ein. Also wieso bin ich beschnitten?

Ich sprach nie mit Freunden oder Freundinnen über meine Beschneidung. Und sie fragten auch wenig. "`Mein Vater ist halt Muslim"' reichte immer als Antwort. Zum Glück.

Erst jetzt beginne ich mich mit Beschneidung auseinanderzusetzen. Erst jetzt mit 23 lese ich über die sexuellen Folgen. Lese ich über den Sensitivitätsverlust. Ich habe nie einen unbeschnittenen Penis erigiert gesehen und war sehr überrascht, als ich las, dass die Eichel weich, feucht und empfindlich ist. Ich lese über Verhornung, über Stimulanzzonen wie innere Vorhaut, Dorsalnerv oder Vorhautbändchen. Lese, dass beschnittene Männer nur die Schnittnarbe zur Stimulierung haben, da dort noch Reste der so sensiblen Vorhaut kleben. Ich denke darüber, wie Sex sich anfühlen könnte. Wenn alles noch da wäre. Aber das ist es nicht.

Ja, es stimmt. Ich kann länger. Noch kann ich nur länger. Aber ab wann kann ich gar nicht mehr? Ich bin 23 Jahre alt. Das heißt auch, dass ich mit ca. 23 jährigen Frauen schlafe. Aber ich muss kämpfen. Unter 20 min geht nichts. Manchmal habe ich nach einer Stunde einfach keine Lust mehr und gebe auf. Ich war deshalb bei einem Urologen. Dieser sagte mir, bei der Beschneidung würden 70\% der für die sexuelle Sensibilität zuständigen Nerven entfernt, da sie auf der Vorhaut sitzen. Die Nerven auf der Eichel liegen in der Schleimhaut, die ohne den Schutz der Vorhaut austrocknet. Durch die ständige Reibung an der Hose würden die Nerven mit der Zeit absterben. Ich habe große Angst impotent zu werden.

Meine Beschneidung ist das Schlimmste, was man mir je angetan hat. Sie hat mein gesamtes Leben beeinflusst. Hat mich immer mit Scham erfüllt. Meiner Mutter tut es sehr leid. Sie sagt, sie würde es nie wieder tun. Das hilft seelisch, aber nicht körperlich. Meine Vorhaut ist weg und kommt nicht wieder.

Ich sehe Sie in der Verantwortung einer geplanten Legalisierung und Legitimierung dieser Form der Genitalverstümmelung bei Jungen mit all Ihrer Kraft entgegen zu wirken.

Diese ganze Debatte hat sich zu einer Farce entwickelt. Der Ethikrat erringt in einer harten Diskussion mit den religiösen Verbänden, dass die Kinder betäubt werden sollen. Wann stand denn bitte jemals zur Diskussion, ob man seine Kinder foltern darf? Es stand zur Diskussion, ob die Entscheidung der Eltern genügt, eine irreversible Operation mit gravierenden Auswirkungen zuzulassen.

Der Kinderschutzbund, der sich selber als Lobby für Kinder bezeichnet, hat die Kinder verraten. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine Möglichkeit zu suchen, Eltern von der Beschneidung ihrer Söhne abzuhalten. Er ging den Weg des geringsten Widerstandes.

Das Familienministerium arbeitet seit Monaten erbittert an einer gesetzlichen Grundlage für eine Legalisierung. An wen soll sich ein Kind in Zukunft wenden, an wen kann sich ein Kind in Zukunft noch wenden?

Mit einer Legalisierung nehmen Sie willentlich das Leid vieler Kinder in Kauf. Denn bei Weitem nicht jedes Kind will beschnitten werden und bei Weitem nicht jeder Beschnittene ist glücklich darüber. Was sagen Sie einem 12 jährigen, dessen Mutter einen Muslim kennengelernt hat, der fordert, dass der Junge beschnitten wird? Wie soll sich ein 12 jähriger wehren können, wenn er gezwungen wird?

Als Beschnittener hat man keine Möglichkeit Gerechtigkeit zu finden. Ich weiß es, ich habe versucht Strafanzeige zu stellen, aber alle Ansprüche, die ich hatte, verjährten, als ich 11 Jahre alt war. Man hat keine Chance. Am Anfang kann man sich nicht wehren und später darf man nicht mehr.

Die religiösen Verbände schreien so laut, dass man das Weinen der Kinder leicht überhört. Bei Mädchen sind zurecht selbst Ersatzrituale wie das Anritzen der Klitoris mit einer Klinge, ohne zu schneiden, streng verboten. Bei kleinen Jungen darf man 50\% der Haut des Penises entfernen, weil es der Glaube verlangt, man es schöner findet, man der spätere Freundin einen Gesundheitsbonus geben oder man seinem Kind das Onanieren erschweren will.

Jungen, die in die Geschlechtsreife kommen, sind sehr leicht erregbar. Oft bekommen Sie bei Genitaluntersuchungen, dem Aufzeichnen der Schnittlinien oder dem Betäuben, welche der Beschneidung vorrausgehen, eine Erektion. Es ist unvorstellbar peinlich für sie und vielen das Schlimmste bei dem Gedanken an ihre Beschneidung. Trotzdem sind bei der Behandlung Mütter und Väter, Schwester und Brüder, Tanten und Omas, Lehrer und Heimleiter, Freunde und Bekannte anwesend. Man stelle sich sich vor, nur der Vater würde mit seiner Tochter zum Frauerarzt und etwas anderes machen, als verlegen in der hintersten Ecke zu stehen. Bei Jungen, die genau so hilflos und schutzbedürftig sind darf jeder hinsehen, anfassen und rumspielen, der will.

Manche Jungen weinen, manche schreien, schlagen um sich. Sie werden teilweise mit Gewalt niedergerungen und müssen mit ansehen, wie die Hälfte der Haut ihres sensibelsten Körperteils blutend amputiert wird. Auf die Würde der Jungen wird in keiner Form geachtet. Im Gegenteil, man lacht sie aus. Sie sollen sich nicht so anstellen, es sind schließlich Jungs.

Wenn der Bundestag seine Meinung nicht ändert und weiterhin für die Legalisierung der Knabenbeschneidung eintritt, werden viele Bürger die Achtung vor Ihnen verlieren. Die, deren vorgeblichste Aufgabe es ist, die Kinder zu schützen, haben versagt. Es liegt nun an Ihnen.

Schwer enttäuscht und voller Sorge schreibt Ihnen

Alexander Bachl