Petitionstext

Moratorium und Runder Tisch zu Beschneidungen von einwilligungsunfähigen Jungen

Text der Petition:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, zunächst für zwei Jahre keine gesetzlichen Schritte zur Legalisierung der Beschneidung von Jungen in Deutschland zu ergreifen. Weiterhin möge der Deutsche Bundestag die Einsetzung eines Runden Tisches mit Sachverständigen der betroffenen Religionsgemeinschaften und Fachgebiete beschließen, um das Thema Beschneidung wissenschaftlich fundiert zu diskutieren und Lösungen zu erarbeiten, welche alle Interessen, vor allem aber die Belange des Kindeswohls, berücksichtigt.

Begründung:

Die Petenten erkennen, dass in der durch das Urteil des LG Köln ausgelösten notwendigen Debatte über die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen einseitig das Thema Religionsfreiheit dominiert. Sie verstehen die Reaktionen von muslimischen und jüdischen Verbandsvertretern, die eine lange Tradition in Frage gestellt sehen, und sie haben Verständnis dafür, dass diese sich für ein Festhalten an ihren Bräuchen und Traditionen einsetzen.

Der Dialog und das Miteinander des Staates und der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften ist ein hohes und wichtiges Gut, das sich in Art. 4 GG wiederfindet. Gleiches gilt für das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 II 1 GG. Doch gelten beide Rechte trotz ihres Verfassungsranges nicht vorbehaltlos und müssen sich der Abwägung mit anderen Grundrechten stellen. Hier gilt es die bisher im Diskurs vollständig vernachlässigten Belange der Kinder, rechtlich normiert in Art. 2 GG, Art. 6 II 2 GG und Art. 19 I und Art. 24 III der UN-Kinderrechtskonvention, zu berücksichtigen.

Mediziner haben klar und sachlich deutlich gemacht, dass eine Beschneidung ein gravierender und irreparabler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Kindes ist. Psychologen befürchten Traumata. Bei ca. 10% der sachgerecht durchgeführten Beschneidungen treten Komplikationen auf. Zudem existieren zahlreiche Studien, die keine Evidenz für eine Gesundheitsdienlichkeit als mögliche Rechtfertigung dieses Eingriffes im Sinne des Kindeswohls zeigen konnten.

Die Petenten sehen die Gefahr, dass sachfremde Erwägungen immer stärker in die Argumentation einfließen und es der Politik unmöglich machen, eine Güterabwägung im Interesse des Kindeswohls auch nur ansatzweise zuzulassen. Vorsicht geboten ist ebenso bei der Vereinheitlichung des muslimischen und jüdischen Glaubens, gibt es doch auch hier ein breitgefächertes Meinungsbild zum Thema kindliche Beschneidung.

Als notwendig und lohnenswert für alle Interessengruppen empfinden die Petenten daher einen sachlichen, verantwortungsvollen und umfassenden Dialog aller Akteure als Alternative zu einem übereilten politischen Aktionismus. Eine breite Debatte ist in Anbetracht der Bedeutung der betroffenen fundamentalen Rechte und Güter unabdingbar und muss von der Politik zugelassen werden.

Ein Runder Tisch bestehend aus Sachverständigen der betroffenen Religionen, muslimischen und jüdischen Befürwortern und Gegnern der Beschneidung, den Fachbereichen Psychologie, Pädiatrie, Urologie, Kinderchirurgie, Kinderschutz, Kinder- und Jugendhilfe soll das Thema Beschneidung in Deutschland wissenschaftlich fundiert diskutieren und eine Strategie erarbeiten, welche alle Interessen, vor allem aber die Belange des Kindeswohls, berücksichtigt.

Ein Moratorium von zwei Jahren für eine ausgewogene und wissenschaftlich fundierte Diskussion erscheint den Petenten dafür angemessen.

Dass Tradition allein keine Rechtfertigung für den Eingriff in schützenswerte Rechtsgüter sein kann, hat sich zuletzt im Jahr 2001 im gesetzlichen Gewaltverbot in der Erziehung gezeigt. Auch diesem ging eine breite gesellschaftliche Diskussion voraus.

Die Petenten betonen, dass sie sich nicht gegen religiöse Traditionen einsetzen, sondern für die Rechte der Kinder. Sie sind davon überzeugt, dass nur ein umfassender Diskurs Raum für politisches Handeln aufzeigen kann und zu einem besseren Verständnis auch bei den Religionen führen kann, was eine Beschneidung bei Kindern bedeutet.